Der letzte Tango in Buenos Aires
Mein geliebtes Buenos Aires
Wenn ich Dich wiedersehen werde
Wird es keinen Schmerz mehr geben
Und kein Vergessen
Carlos Gardel, 1934
Socken auf dem Teppich, im Hintergrund wehleidige Musik, ansonsten absolute Dunkelheit. Mit verbundenen Augen werden unsere Sinne feiner. Für den Tango natürlich. Germán Haupt, der deutschstämmige Tangolehrer, bringt uns mit Reibeisenstimme den gemessenen Grundschritt des Tango bei - vielleicht das schönste Mitbringsel aus Buenos Aires. Tanzstunde im 21. Stock.
Hermann ist eigentlich Manager, den Tangolehrer mimt er nur in der Freizeit. Im Deutschen Klub von Buenos Aires lädt er gemeinsam mit der zierlichen Argentinierin Cecilia González jeden Montag zum Eurotango ein. Der Veranstaltungsort hat mit einer typischen Milonga im Stile der Confitería Ideal so viel zu tun wie deutsche Bratwurst mit Argentino-Steaks: Der Club Alemán residiert im 21. Stock eines Hochhauses an der Avenida Corrientes. Den düsteren Eingangsbereich zieren Patina-bewehrte Wappen deutscher Kleinstaaten aus der Zeit vor der Reichsgründung von 1871, und die holzgetäfelte Bar versetzt uns ins Bonn der frühern 1970er Jahre. Man muss schon aus dem Fenster auf die braunen Fluten des Flusses schauen, um zu merken, dass man in Argentinien ist. Oder montags dem Tango lauschen.
Wir lernen, dass die Grundstellung immer so weit offen sein muss, dass sich jemand zwischen uns stellen könnte; dass es einen Radiosender mit 24 Stunden Tango am Tag gibt; und dass man bei einer Milonga niemals zu Stücken des Tango-Gottes Carlos Gardel tanzen wird.
In einer Stadt wie Buenos Aires sind solche Dinge dieser Tage Herrschaftswissen, denn wie jetzt eine Studie bewiesen hat, hat die Renaissance des Tangos den Tanz zum sozio-ökonomischen Zugpferd der Stadt gemacht. Demnach hat die alte neue Mode allein im vergangenen Jahr 93 Mio. Euro in die Stadt gespült. Und in einem Jahr wurden in der Stadt sage und schreibe vier Mio. Tangostunden erteilt.
Für uns ist der Tango eine der wichtigsten Arten, mit Ausländern zu kommunizieren, sagt Nicolás Leonhardt, Präsident des Club Europeo, unter dessen Ägide die Tanzstunden im Deutschen Klub stattfinden. Viele Leute, die nicht so gut Spanisch sprechen nutzen den Tanz, um sich per Körpersprache zu unterhalten.
Auch für uns ist diese eine von vier Mio. Tanzstunden ein Gespräch, ein Abschied von dieser großartigen Stadt. Noch auf dem Weg zum Flughafen summen wir den Klassiker von Gardél - auch wenn er bei keiner Milonga gespielt wird
Mi Buenos Aires querido,
cuando yo te vuelva a ver
no habrá más pena ni olvido
Poganatz | 12:05